Ich habe (muss ich gestehen) die letzten Monate den „Spiegel“ aboniert. Eine Zeitschrift, die in der Regel gut recherchierte Informationen wiedergib, aber in manchen Bereichen sehr einseitige Meinungen vertritt. Militaristische Kriegstreiber kommen unverhältnismäßig oft zu Wort. Ich denke, das diese Einseitigkeit auf vorherrschenden Narrativen beruht. Narrative haben die Eigenschaft, dass ihr Gültigkeit für die Gläubigen nicht in Frage gestellt wird. Die Erzählungen besteht darin „Wer angreifen könnte, ist eine Bedrohung“ und „Ich muss auf jeden Fall der Stärkere sein. Alles andere wäre Schwäche, die ausgenutzt werden wird“.
Persönlich bin ich als Kind u.a. geprägt worden in einer Klassenhierarchie von Jungen die sich der jeweiligen Stärke der anderen bewußt war. Es war klar, mit wem man sich besser nicht anlegen sollte. Ich hatte trotz meiner Schwäche keine Angst vor Schlägereien. Zum Glück hatten wir keine ausgesprochenen Rüpel auf dem Schulhof.
Russland ist gerade der Rüpel auf dem Schulhof. Dabei wurde er von einem nationalistischen Nerd aus seinem Freundeskreis lange genervt und ist mit seiner eigenen nationalistischen Führung selbst extrem empfindlich.
Eine konkrete Begründung, warum Russland Deutschland oder die EU angreifen sollte wird nirgends genannt. Allein die Aufrüstung Russlands wird als Begründung für den Militarismuss hierzulande genommen. Dabei werden die Kräfteverhältnisse merkwürdig verzerrt wiedergegeben. Kriegspropaganda und Machtanspruch manipulieren immer mit Angst. Diese Angst ist so leicht ansprechbar, weil sie überwiegend neurotischer Natur ist. Wir leben objektiv in einer so sicheren und reichen Welt wie noch nie. Allerdings hat die Menschheit und wir Europäer im speziellen größere Herausforderungen zu bewälten, wie z.B. Klimawandel und demographische Entwicklung. Was ich überhaupt nicht verstehe, ist wie unsere Militaristen denken, dass die anderen Militaristen nicht genauso denken. Die Militärische Überlegenheit des „Westen“ muss in Russland zu Aufrüstung führen, wenn wir dem Gegner die gleichen Gedanken zubilligen wie uns selbst („Ich muss der Stärkere sein“)
Was in der Spiegel-Zeitschrift fehlt, sind auch mal andere Narrative, die genauso glaubwürdig sind. Zum Beispiel: „Militaristen sind grundsätzlich bereit, für die eigenen Ziele andere Menschen zu ermorden.“ oder „Der Kapitalismus braucht alle paar Jahrzehnte einen großen Krieg, um seinen Anspruch auf expondentielles Wachstum zu erhalten“*.
Wer an die letzten beiden glaubt, kommt zu gänzlich anderen Lösungen, als die Miltaristen. Diese wollen einem patriachalem Männlichkeitsbild entsprechend einfach zur stärker sein und ihre emotionale Unterentwicklung nicht spüren. Jene möchten eine friedliche, emotional entwickelte Kultur, die nachhaltig mit unseren begrenzen Ressourcen umgeht.
Das klingt nach entweder-oder? Im Rahmen persönlicher Anhaftungen bin ich geneigt, die „anderen“ (die Militaristen und Neo-Liberalen) als mörderische Realitätsverweigerer zu diffamieren. Auf einer sachlichen Lösungsebene könnten die europäischen Nato-Staaten auch eine gemeinsame Armee zusammenlegen und den gemeinsamen Militärhaushalt deutlich reduzieren. Ich denke nicht das Putin so doof ist, einen Gegner mit ca. 1 Mio Soldaten und aktuell einem 3,5 fachen Militärbudget und einer 8 fachen Wirtschaftsleistung. Und selbst für eine aggressive und traditionell militaristischen USA wäre Europa ein Gegner, den man nicht ohne weiteres militärisch herausfordern würde. Angesichts der globalen Kriesen z.B. dem Klima würden durch abrüstung mehr Ressourcen zur Verfügung stehen.
*) Siehe Lass und die Martwirtschaft vom Kapitalismus befreien.